Mittwoch, 25. Dezember 2013

Stille Nacht

Das ist mal Weihnachten
Vierzehn Grad und ich sitze
Mit meinen neuen Hausschuhen
Auf der Terrasse und rauche
Eine letzte Zigarette bevor die
Müdigkeit mich ins
Bett treiben wird
Der Regen plätschert leise
Durch die Nacht und nur die
Kahlen Bäume erinnern daran
Dass Dezember ist
Eine fast stille Nacht
Wäre da nicht hin und wieder
Das Dröhnen von Motoren
Das der Wind von der Lamboy
Herüber trägt denn die
Straße ist schnurgerade und
Wo Straßen gerade sind wollen
Manche wissen wie es sich
Anfühlt wenn 250 PS arbeiten
Wenn man sonst nichts hat
Was man fühlen kann
Schon erreicht die Glut den Filter
Ich geh ins Haus
Kontrolliere ob auch wirklich
Alle Heizkörper abgedreht sind
Lasse mich aufs Sofa fallen
Und schalte den Fernseher an
Während ich mich durch
Die Programme zappe in der
Hoffnung auf einen Zombie Film
Zu stoßen denke ich mir
Gott sei Dank
Auch diesen Tag
Hab ich hinter mich gebracht

Sonntag, 22. Dezember 2013

Die goldene Zukunft der Städte

Da schauen sie auf die Trümmer
Ihrer Städte Scherben der Verzweiflung
Auf regennassem Asphalt lodernde
Feuer entfacht durch Wut und Aggression
Rauchschwaden die zum Himmel steigen
Aber sie tragen keine Hoffnung mit sich
Da stehen sie und weinen
Und ihre Tränen glitzern golden
So golden wie die Manschettenknöpfe
An denen sie nervös hantieren
So golden wie die Scheitel
Die sie gezogen haben

Da schauen sie auf ihre Städte
Und weinen und die Täter sind
Schnell gefunden
Da stehen sie
Sie haben die Steine ja noch
In ihren Händen
Diese Rüpel
Die sich dem System verweigern
Von dem sie selbst schmarotzen
Wie Bandwürmer sind sie im
Gedärm dieser Nation

Weil sie nicht verstehen wollen
Dass die Städte sich verändern müssen
Dass Städte nicht mehr denen
Gehören die darin wohnen
Sondern denen die investieren
Zum Wohle aller
Und zur Erhaltung des Glaubens
An ewiges nie enden
Wollendes Wachstum
Auf dass es Geld regnen möge
Statt Wasser
Eines Tages
Wenn die Rauchschwaden sich
Verzogen haben und der
Himmel wieder blau ist

Dann hören sie auf zu weinen
Die Feuer sind erloschen
Und sie werden die Scherben
Zusammenkehren und was noch
Übrig blieb werden sie nieder reißen
Und sie werden neue Tempel errichten
Größer und prächtiger als es
Sie je gegeben hat
Und Götzen werden darin wohnen
Gleich goldenen Kälbern
Und die Menschen werden tanzen
In einem stumpfen ewig gleich bleibendem Takt

Und die Götzen werden nach Blut verlangen
Doch aus ihren Hintern wird
Gold fließen
Füllhorn und Stein der Weisen zugleich

Während draußen vor den Toren der Städte
Bandwürmer auf matschigen Äckern
Nach Kartoffeln graben
Und Steine finden werden

Montag, 5. August 2013

Regatta

Der Himmel ist blau-weiß
So wie es sich gehört
Für das gelobte Land
Der Bayern
Von Nordosten weht ein
Sanfter Wind der
See liegt ruhig
Zwischen seinen Ufern

Am Horizont segeln sie
Um die Wette
Die Regatta der
Höhepunkt des Jahres
In diesem Ort der
So verlassen da liegt
Wie ein überfahrenes
Eichhörnchen am Straßenrand
Zieht für einen Tag
Die Porschefahrer an
Die mit verspiegelten
Sonnenbrillen ihr
Greisenalter kaschieren wollen

Ich flüchte
Laufe hinaus auf die Straße
Die in Richtung Wald führt
Vorbei an endlosen
Reihen Ferienhäuser
In denen nie jemand wohnt

Auf einem Schotterweg entdecke
Ich eine tote Kröte
Ausgedörrt von der
Stechenden Sonne die
Haut schuppig wie von
Einem Reptil zieht das
Tier nur noch Ameisen an
Die mit scharfen Kiefern den
Kadaver zerlegen

Dienstag, 23. Juli 2013

Traktate aus den Vorhöfen der Hölle

Dies sind die Traktate aus
Den Vorhöfen der Hölle
Aufgeschrieben in einsamen Nächten
Mit Tränen Blut und Schweiß

In Gestalt einer Fliege drang
Ein Dämon in mich ein
Und führte mich an diesen Ort
An dem ich gefangen bin
Für die nächsten tausend Jahre

So steige ich hinab in
Die Tiefen des Vulkans
Wo brodelndes Magma
Meine Seele reinigt
Mich befreit von den
Sünden die wie Kerben
Eingeschweißt sind
Hinter den Schallmauern
Meiner Gehörgänge

Der Tod kommt auf
Einem Segelboot
Langsam
Über die sanften Wellen
Gleitend nähert es sich
Dem steinigen Ufer

Graues Fleisch liegt
In der Uferbrandung
Bedrängt von Millionen
Ausschwärmender Blutsaugern
Tropfen für Tropfen
Verschwindet löst sich auf
Wird eins mit dem Äther
Aufgesaugt von Gammastrahlen
Während hinter den Bergen
Ein leichtes Grollen
Zu vernehmen ist

Eingeschlossen
Hinter Wänden aus Stahlbeton
Kein Entrinnen aus dieser
Festung namens Irrenhaus
Nur der Weg über das
Wasser führt ins Freie
Wohin man blickt
Grünblaues
Fischverseuchtes Wasser

Schüsse hallen durch die Straße
Die Sonne steht im Zenit
Während ich um die Ecke biege
Und Zuflucht hinter
Sandsteinmauern suche

Eine Mutter steht im Hinterhof und
Gibt ihren beiden Mädchen
Jeweils einen Kuss auf die Stirn
Bevor sie sie in den Kindergarten
Schickt das Ältere der Mädchen
Hinkt etwas denn es hat
Sich das Knie aufgeschrammt
Unter einem braunen Pflaster
Quillt Grind hervor
Eine Fliege versucht aufdringlich
Den Zugang zur Wunde zu finden
Die Mädchen verschwinden
Und ebenso die Mutter
Die dem Horizont entgegen geht

Leere Schneckenhäuser am Wegesrand
Zeugen davon was hier einmal gab
Zivilisation
Die Häuser zerfallen und übrig
Bleibt eine feine Schicht aus
Kalk in dem ich meine
Fußspuren hinterlasse und
Mich nach nichts mehr sehne
Als nach Einsamkeit

Sonnenstrahlen
Durch das Prisma ewiger Qual
Gejagt gebündelt konzentriert
Auf einen Punkt
Der sich Leben nennt
Treffen sie mein Herz
Durchbohren es
Bis nichts mehr übrig bleibt
Außer ausgebrannte
Muskelfasern und
Verdampfendes Blut
Hätte ich nur stattdessen einen
Stein in der Brust
Dann bliebe mir die
Reise in die Finsternis erspart
Und der tägliche Blick
Aus dem Küchenfenster

Der Tod ist ein Fischer
Er wirft die Schleppnetze aus
Und durchkämmt
Die Gewässer

Während die Geister der Ertrunkenen
Nach unvorsichtigen
Schwimmern spähen
Was sich unter der glitzernden Oberfläche
Bewegt entzieht sich
Den Augen der Lebenden

Gegen Nachmittag kehrt die
Mutter zurück aus dem Nichts
Wie sich verdichtender Nebel
Materialisiert sich ihr Körper
Am Horizont
Braune Haare fallen in Wellen
Über ihre Schultern ihre Augen
Glitzern wie Sternenstaub
Sie nimmt ihre Mädchen
In die Arme
Das Pflaster am Knie der Älteren
Hat sich gelöst
Und ein kleines
Fadenförmiges Lebewesen
Windet sich im
Ausgetrockneten Grind
Der Beginn einer nie
Enden wollenden Infektion
Der Beginn einer ewig
Währenden Reise

An deren Ende
Wir uns vielleicht wiedersehen

Donnerstag, 13. Juni 2013

Einsame Wölfin

Einsame Wölfin

Eine einsame Wölfin
Ist sie
Verteidigt ihr Revier
Beschützt ihre Welpen
Hat ein dickes Fell
Und fletscht die Zähne
Ihre Höhle eine Festung
Aus gebranntem Lehm
Und Gips
Ausgefahrene Krallen
Kratzen auf dem Asphalt
Die Ohren gespitzt
Durchstreift sie den
Dschungel der sich
Kleinstadt nennt
Sie ist das letzte
Wilde Tier im Reservat
Eingezäunt von
Autobahnen und Gräben
Gefüllt mit fauligem Wasser
Freiheit gibt es
Nur jenseits
Der Hochspannungsmasten
Eine einsame Wölfin
Ist sie
Mit blitzenden Augen
Wie Eiskristalle
Wollen sie dir sagen
Komm mir nicht zu nahe
Wenn du ein Jäger bist
Aber ich bin kein Jäger
Ich bin ein Gejagter
Ich bin die Beute
Ich bin der Fraß
Für eine einsame Wölfin
Die sich die Lefzen leckt
Weil sie nichts anderes will
Als zu überleben

(Einsame Wölfin, Songtitel von Einstürzende Neubauten von der MC Livematerial 81/82 von 1982)

Freitag, 31. Mai 2013

Das konservative Moment im Rock'n'Roll oder wie zwei Männer denselben retten wollen

Wow! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die BILD-Zeitung berichtet vom Wiedertreffen des Ex-Bundespräsidenten mit seiner Ex-Frau. Ort des Zusammentreffens: ein Bruce Springsteen Konzert. Schon fühlt sich ausgerechnet Cem Özdemir auf seiner Facebook Seite dazu aufgerufen, die Ehre des Rock'n'Roll zu retten. Den Wulffens und Guttenbergs (ein bekennender AC/DC Fan) ruft er zu: Lasst den Rock'n'Roll in Ruhe. Ich gebe zu, Özdemir ist einer der wenigen Spitzenpolitiker, die mir – zumindest menschlich – einigermaßen sympathisch sind. Rhetorisch vielleicht nicht immer auf der Höhe, aber zumindest nimmt man ihm das, was er sagt, einigermaßen ab. Meistens. Als Politiker mit muslimischen Migrationshintergrund ist er außerdem das Paradebeispiel für gelungene Integration und Beweis dafür, dass man auch als Türkischstämmiger in der X-ten Generation willens und dazu in der Lage sein kann, die deutsche Sprache zu erlernen. Özdemir gibt sich nett. Er ist gut gekleidet, hat Manieren. Der perfekte Schwiegersohn. Das Gegenteil eines Rock'n'Rollers. Überhaupt: die Grünen und Rock'n'Roll, das passt ungefähr so zusammen wie Bushido und Frauenrechte. Gut, man weiß, Claudia Roth war mal Managerin von Ton Steine Scherben. In dieser Zeit ging das Projekt Scherben pleite und die Band löste sich auf. Ein Schelm, wer hier einen Zusammenhang sieht.
Als wäre das nicht alles schon peinlich genug, kontert Daniel Fallenstein ausgerechnet auf der Achse des Guten und erklärt, Rock'n'Roll und explizit Punkrock sei doch eher die Domäne der Konservativen und zitiert dabei den verstorbenen Ramones Gitarristen Johnny Ramone. Er beweist damit nicht nur, dass er von Rock'n'Roll keine Ahnung hat, noch weniger scheint er sich in der Frühgeschichte des Punkrock auszukennen. Johnny Ramone war, mit Verlaub gesagt, nicht nur konservativ, er war ein Rassist. Er machte sich über Schwarze lustig, sympathisierte offensichtlich, zumindest zeitweise, mit dem Ku Klux Klan und war auch ansonsten ein ziemliches Arschloch. Zumindest diese letzte Eigenschaft war eine gute Voraussetzung, um ein Rock'n'Roll Star zu werden. Nur, darum ging es in der Frühphase des Punkrocks überhaupt nicht. Es ging noch nicht einmal um Musik. Es ging vor allen darum, anders zu sein, als der Mainstream, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und das am besten mit dem Kumpel, der im Abbruchhaus nebenan rumhängt und sonst nichts besseres zu tun hat, als Pattex zu schnüffeln. Johnny Ramone hatte das Glück, einen solchen Kumpel zu haben, nämlich den jüdischen, linksliberalen Schlagzeuger Joey Ramone, der später ans Mikrophon wechselte. Die Ramones waren keine politische Band (wie auch die meisten anderen frühen Bands. Man sang nicht über die Revolution, sondern vom Dreck, der einen umgab, von Hoffnungslosigkeit, von den Drogen, die einen in der Mangel hatten. Die politisch motivierten Bands kamen erst später wie etwa Crass, Dead Kennedys oder UK Subs), aber sie waren ein Politikum. In der Tat, sie veränderten die Musik nachhaltig, aber nicht aufgrund Johnny Ramones politischer Ansichten. Hätten diese Eingang in die Texte gefunden, hätten die Ramones das Jahr 1976 nicht überstanden. Glücklicherweise schrieb Dee Dee Ramone die meisten Songs, auch nachdem er schon gar nicht mehr dabei war. Und als jemand, der ständig am Rand des Todes stand, hatte der wenigstens Ahnung vom Leben. Nachdem Johnny Joey auch noch die Freundin ausgespannt hatte, statt seinem Kumpel dankbar zu sein, rächte dieser sich mit dem herrlichen Song: The KKK took my Baby away. So sagen es die Gerüchte. Tatsache ist jedoch, dass die beiden ab diesem Moment kein Wort mehr miteinander gewechselt hatten. Ab diesem Moment waren die Ramones keine Band mehr, sondern ein Geschäftsunternehmen und der Geschäftsführer war Johnny. Davon hatte er Ahnung. Und gut, Gitarre spielen konnte er auch. Er hielt das Projekt Ramones finanziell am Laufen und die Ramones taten das, was man von ihnen verlangte. Sie lieferten routinierte onetwothreefour-songs ab. Mit Punk hatte das nichts mehr zu tun, aber ein Ramones Konzert zu besuchen und sich einen Tinnitus einzufangen, war allemal besser als auf der Straße rumzuhängen und nichts zu tun. Ehrlich gesagt konnte ein Ramones Konzert zum großartigsten Ereignis eines Lebens werden.
Was aber wäre aus Johnny Ramone ohne Punk geworden? Ohne seine Offenheit? Denn das war er in der Frühphase tatsächlich, denn jeder konnte mitmachen, ob man was konnte oder nicht, die Idee war das Ziel, nicht das fertige Produkt? Ohne einen Kumpel, der sagt: „Hey du bist zwar ein rechtes Arschloch, aber wir können trotzdem eine coole Band haben“? Vielleicht hätte er angefangen mit der Arian Brotherhood zu sympathisieren, hätte in einer drittklassigen südstaatenmäßigen Band Songs über die Vorzüge der Sklaverei geschrieben oder noch schlimmeres. Vielleicht. Auf jeden Fall hat nicht Johnny Ramones Konservatismus den Punk beeinflusst, sondern Punk Johnny Ramone. Er hat ihn davor bewahrt, ein noch größeres Arschloch zu werden und von allen gehasst statt, wie es gekommen ist, bewundert zu werden.
Sowohl Cem Özdemir als auch Daniel Fallenstein laufen ins Leere, wenn sie die Attitüde des Rock'n'Roll für sich beanspruchen. Johnny Rotten Lydon hätte für die beiden wohl nicht mal ein Stück Rotz übrig. Rock'n'Roll war, wenn er gut war, subversiv und vor allem gefährlich. Nichts, womit sich Spitzenpolitiker und Jungblogger die Finger schmutzig machen würden. Rock'n'Roll bedeutete immer auch Randale, Aufstand und Zerstörung der alten Werte. Rock'n'Roll endete in Zerwürfnissen mit der Vorgängergeneration, mit Straßenschlachten, Hausbesetzungen und sonstigen unartigen Handlungen, die ich hier lieber nicht beschreiben möchte. Aber lange ist es her. Sucht man in der heutigen Musik nach einem subversiven Moment, dann landet man höchstens bei sexistischen, homophoben Rappern oder grölenden Nazibands, und das braucht wirklich kein Mensch.
Rock'n'Roll hat schon lange nichts mehr mit Rebellion, Freiheit, Wildheit, Aufsässigkeit und nur noch am Rande mit Sex und Drogen etwas zu tun. Die, die in den Sechzigern nach einem Rolling Stones Konzert die Berliner Waldbühne auseinandergenommen haben (weil das Konzert zu kurz war) sind die selben Leute, die heute für 500 Euro für ein Stones Konzert bezahlen, im Stadion Street Fighting Man, Sympathy for the Devil und I can't get no Satisfaction mitgrölen, aber eine Krise kriegen, wenn der Rasen des Nachbarn nicht ordentlich getrimmt ist. Es sind die gleichen Leute, die Bürgerinitiativen gründen, wenn im Umkreis von fünf Kilometern ein Jugendzentrum eröffnet werden soll oder andere Läden, in denen sich Leute unter 30 treffen könnten, um Live-Bands zu hören, während sie selbst am Wochenende zur Oldie- oder Tributeband in den SchickieMickie Club rennen, um sich mal wieder so richtig wild und frei fühlen zu können, wenn drittklassige Bands The Who und Beatles covern. Statt wirklich wild und frei zu sein, vegetieren sie dahin in Selbstmitleid und terrorisieren ihre Mitmenschen, vor allem wenn diese jünger sind, als sie selbst, weil sie ihre Seele verkauft haben für ein Reihenhaus und ein spritfressendes Statussymbol vor dem Garagentor. Es sind die gleichen Leute, die nach dem Jugendamt schreien, wenn ein Kind gegen einen Straßenbaum pinkelt, weil es nicht mehr bis zu Hause aushalten kann, während die Gehsteige vollgeschissen sind von ihren Kötern, die sie sich halten, weil ihre eigenen Kinder ausgezogen sind und sie sonst nicht wissen, wofür sie leben sollen. Und ihre Superhelden sind noch degenerierter, all die Daltreys, Pages, Jaggers, Westernhagens usw., von denen man nichts anderes lernen kann, als dass man mit den selben beschissenen, langweiligen, zwanzig Songs noch mehr Kohle verdienen kann. Die Guttenbergs, die Wulffs, die Özdemirs, die Fallensteins wollen AC/DC, Led Zeppelin, die Stones, The Woh, Bruce Springsteen? Sollen sie's doch haben. Den Dreck braucht keiner. Und Joschka Fischer, der letzte Rock'n'Roller? Da muss ich doch mal extrem laut auflachen. Vielleicht hat er ja tatsächlich noch die „Keine Macht für Niemand“ Platte von Ton Steine Scherben in seinem Plattenschrank, und vielleicht hört er sogar mal heimlich rein, um sich an alte Straßenkämpfertage zu erinnern, aber sie ist bestimmt so gut versteckt, dass sie keiner findet. Wenn es überhaupt noch sowas wie „letzte Rock'n'Roller“ gibt, dann sind das Typen wie Chris Hyde, die mit 73 Jahren lieber wochenlang Brennesselsuppe schlürfen, als sich auch nur um einen Millimeter zu verbiegen, wenn es gegen die eigene Überzeugung geht. In Wirklichkeit hat das, was man heute Rock'n'Roll nennt noch nicht einmal mehr etwas mit irgendeiner Art von Kreativität zu tun. Musik wird produziert, um von zahlungskräftigen Usern konsumiert zu werden. Eine beliebige Ware wie Unterhosen, Zahnbürsten oder Hundefutter. Da hör ich mir lieber die Band aus dem Nachbarproberaum an, die zwar kaum drei Akkorde beherrscht, aber deren Musik aus dem Herzen kommt und nicht deshalb gespielt wird, um reich und berühmt zu werden.
In einem Gedicht von mir aus dem Band Land der Seelenfresser aus dem Jahr 2000, das zufälligerweise den Titel Rock'n'Roll hat, heißt es: „Rock'n'Roll ist schmutzig wie eine verschissene Unterhose“. Mit solchen Utensilien hantieren wohl weder Herr Fallenstein noch Herr Özdemir. Aber keine Sorge, das gibt es nicht mehr. Heute ist Rock'n'Roll nicht mehr schmutzig. Ja, er ist noch nicht mal mehr laut, dank gewisser Gesetze gewisser Politiker. Und stinken tut man auch nicht mehr nach dem Besuch eines Rock'n'Roll Konzertes. Darf ja nicht mehr geraucht werden. Danke, ihr habt uns vom Übel Rock'n'Roll befreit.

Sonntag, 26. Mai 2013

Autoren stellen sich vor

Wenn ich sowas lese
Bekomme ich gleich
Ne Krise
So steht es auf ungezählten
Schlecht gedruckten
Anthologien als Untertitel
Zu lesen sind Gedichte
Die zwischen
Sonntagnachmittagsstreuselkuchen
Und Abendbrot
In geschwungenen Buchstaben
Mit rotem Füller
In linierte Hefte geschrieben wurden
Belanglose Namen stehen
Unter Fotos mit belanglosen
Gesichtern die so
Austauschbar sind wie
Tütensuppen im Supermarktregal
Dieselben Gesichter die man
An den Ständen gewisser
Verlage sehen kann
Die sich als Dienstleister sehen
Nur dass sie keine Dienstleistung
Erbringen obwohl sie
Bezahlt werden
Da stehen sie rum mit
Namensschildern ausgerüstet
Ein Glas irgendwas in der Hand
Sie stecken in grauen Anzügen
Oder cremefarbenen Kostümen
Als befänden sie sich auf
Einer Beerdigung ein paar
Letzte Worte ein Toast
Auf den Verstorbenen
Und genau so ist es auch
Beerdigt werden ihre Bücher
Wenige Tage später wenn
Die Messeleitung die
Reinigungskräfte in das
Gewirr der Gänge schickt
Die die vom Verlag achtlos
Liegengelassenen Machwerke
Zu Hunderten dorthin verfrachten
Wo sie hingehören
Ins Altpapier

Wenn sich irgendwo
Autoren vorstellen
Mach ich einen großen Bogen
Dann schon lieber
Fernsehen
Da kann man wenigstens noch
Was lernen
Nämlich
Dass Dummheit
Niemals ausstirbt

Sonntag, 12. Mai 2013

Die Russen kommen



Geh doch nach drüben
War ein Satz den
Ich all zu oft zu hören
Bekam als ich noch
Ein Teenager war
Meine Haare mit Henna
Färbte und in meinem Kopf
Theorien von einer
Gerechteren Welt entwickelte

Mit drüben meinten sie
Jenes dunkle Land hinter
Dem Zaun von dem man
Nichts wusste außer dass
Man seinen Namen in
Anführungsstrichen schreiben
Musste und dass dort keine
Menschen wohnten sondern Monster

Dieses Land gehörte zum
Reich des Bösen das von
Einem großen Bruder mit
Pelzkappe beherrscht wurde
Den man allgemein nur Iwan
Nannte obwohl er doch
Ganz anders hieß

Genau dort wünschte man so
Welche wie mich hin wenn
Wir wütend waren und nach
Dem Strand unter dem
Pflaster suchten die
Die Europa von Stalingrad
Bis Coventry in Schutt und
Asche gelegt hatten waren
Erzürnt über zwei zerbrochene
Fensterscheiben und eine
Farbschmiererei an einer
Grauen Betonwand

Denn sie hatten Angst
Sie hatten Angst dass er
Kommen würde
Der Iwan
Dass er sich rächen würde
Und mit ihm kämen
Dunkelheit und Zerfall
Und das Ende ihrer
Gartenzwergkultur

Und er kam
An einem Tag im Mai
Landete sein Flugzeug
Vor den Toren der Hauptstadt
Und ein roter Teppich
Wurde ausgerollt und
Eine Militärkapelle spielte
Eine traurige Hymne

Der Iwan war
Da

(Die Russen kommen, Songtitel von Neues Deutschland aus dem Album BRD DDR von 1981)

Sonntag, 28. April 2013

Graupelschauer aus den Achtzigern



Viele meiner Altersgenossen denken
Gerne zurück an die Achtziger
Als sie jung frisch und frei
Zu NDW- und Synthiepopklängen
Wilde Parties feierten und
Dachten die ganze Welt
Gehöre nur ihnen

Aber
In Wirklichkeit waren die
Achtziger eine einzige Katastrophe
Denn neben Da Da Da und
Schulterpolstern gab es auch
Ronald Reagon Leonid Breschnew
Margaret Thatcher Helmut Kohl
Und das waren noch
Die Harmlosesten

Die Achtziger
Das war
Die ständige Angst vor dem
Einen Atomblitz der
Die Welt in einem
Sekundenbruchteil
Pulverisieren würde

Das war der ständige Kampf
Mit dem Kreiswehrersatzamt
Das einem partout nicht glauben
Wollte dass man sein Leben
Nicht auf einem Schlachtfeld
Verlieren wollte und das nicht
Zögerte einem die Feldjäger
Auf den Hals zu jagen
Eine ganze Armee von
Drückebergern suchte die
Antwort auf die eine Frage
Was tun wenn man nachts im
Park auf einen Irren traf
Der nach dem Blut deiner
Freundin lechzte

Das waren Hausdurchsuchungen
Weil man einen kannte der
Einen kannte der einen kannte der
In einer Kneipe einen Bekennerbrief
Der RAF in der Radikal gelesen hatte

Die Achtziger
Waren rumlungern
Kippen sammeln und
Bier schnorren weil es
Selbst für solche mit Abitur
Keine Jobs gab noch
Nicht einmal als Straßenkehrer

Die Achtziger
Das waren Blut Schweiß und
Tränen die vergossen wurden
Wenn man nachts
Um sein Leben schrieb
Und Papierfetzen die
Man morgens im
Mülleimer entsorgte

Wenn ich an die Achtziger denke
Sehe ich graue Wolken
Graupelschauer schmutzigen
Asphalt und tote Bäume
Keine Sonne
Alles was strahlte war
Die Plutoniumfabrik am
Rande unserer Stadt

Die Achtziger
Das hieß durchhalten und warten
Und hoffen dass man
Überlebte
Was mir dabei half waren
Ein paar schlecht gedruckte Bücher
Und ein paar dutzend Songs
Von Razzia vielleicht
Die sich direkt ins Herz bohrten
Ohne einen Umweg über die
Ohren zu nehmen

Viele meiner Altersgenossen denken
Gerne zurück an ihre Zeit
Als sie jung frisch und frei
Waren sie hatten Extrabreit und
Kajagoogoo und tolle Frisuren
Jetzt haben sie einen Sklavenjob
Der ihnen das Leben zur Hölle macht
Und Geheimratsecken für die
Sie sich schämen

Ich schaue lieber nach vorne etwas
Älter nicht mehr ganz so frisch
Aber immer noch frei und
Die Songs in meinem Herzen
Nehme ich einfach mit in
Diese neue Zukunft auch
Wenn die Platten schon
Knistern und auch wenn es
Immer noch Verrückte gibt die
Die Welt in Flammen setzen wollen
Stelle ich fest das
Leben ist nicht schlecht auch
Wenn man als Haus nur eine Hütte ist


(Als Haus wärst du ne Hütte, Songtitel der Hamburger Punk Band Razzia aus dem Album Ausflug mit Franziska aus dem Jahr 1986)

Freitag, 19. April 2013

ABC Alarm


Heute Morgen sangen die
Sirenen
ABC Alarm
Wie damals in den
Achtzigern als man uns
In der Schule in feuchte
Keller verfrachtete als
Könne man so einen
Atomkrieg überleben
Und heimlich fragte ich mich wie
Weit die Raketen des
Verrückten Diktators am
Anderen Ende der Welt
Wohl reichen mögen

Später in der Stadt war alles
Normal nichts hatte sich
Geändert die Sklaven
Marschierten wie gewohnt durch
Die Tempel und zollten
Ihren Göttern Tribut

Gut
Die Welt ging heute nicht
Unter also gönne ich mir
Eine Verschnaufpause und
Genieße die Tage die
Man mir geschenkt hat

Samstag, 6. April 2013

Auf einem Papierschiff im Atlantik



Mit triefender Nase und
Stechenden Schmerzen hinter
Den Augen
Stelle ich fest
Auch ich bin vor Krankheit
Nicht gefeit
Der Fernseher blubbert vor sich hin
Und flackerndes Licht durchflutet
Den Raum und all das
Während eine ganze Armada
An Bakterien und Viren versucht
Kontrolle über meinen Körper
Zu erlangen

Immunsystem
Wo bist du
Warum lässt du mich im Stich
Habe ich dich nicht immer
Mit allem gefüttert wonach
Du verlangtest
Nikotin
Alkohol
Schlecht belüftete Räume
Ach
Und jetzt komm mir bloß nicht
Mit Vitaminen
Weiß doch jeder
Dass Salat auch nur eine
Mit Pestiziden verseuchte
Pampe ist

Was ist nur los mit mir
Noch nicht mal Zigaretten
Schmecken noch und ein
Gedicht zu schreiben fällt
So schwer als müsste ich den
Atlantik mit einem Papierschiff überqueren
Das mein Sohn aus einer alten
Rechnung gefaltet hat

Und draußen schneit es
Immer noch
Und ein paar Idioten testen
Ihre Sommerreifen auf dem eisigen
Asphalt
Bremsen quietschen
Benzin wird verbrannt
Wärme

Ein bisschen Wärme wäre nicht schlecht
Sonne und nicht nur
Diese trockene Heizungsluft
Will mich wieder
Nur mit meiner Unterhose
Auf das Sofa pflanzen
Und nicht mehr unter dicken Decken
Mit einem Thermometer im Arsch
Das mir anzeigt dass
Ich kurz vor dem Delirium stehe

Und jetzt scheppert es
Draußen einer der
Idioten hat sich um
Den Laternenpfahl gewickelt
Und das zeigt mir
Eigentlich habe ich es
Ganz gut erwischt
Es könnte schlimmer
Kommen