Donnerstag, 2. April 2015

Jedem das Seine

Und nun steht sie da und zuckt
Lässig die Achseln
Und sagt lapidar
Ach
Jedem das Seine
Und sicher ist sie sich
Nicht bewusst und wenn
Sie sich Mühe macht und
Forscht wird sie auf Platon
Stoßen auf die alten griechischen
Philosophen vollkommen unverfänglich
Natürlich denn waren die
Griechen nicht die Erfinder dessen
Was man heute Demokratie nennt

Ich aber denke an Buchenwald
An aus Kruppstahl gegossene
Buchstaben eingeschmiedet in
Das Tor das die Lebenden von
Den Toten trennt das Tor
Zur Hölle hinter dem Dämonen
In braunen Uniformen die
Feuer schüren um die
Sünder zu rösten
Ich denke an hunderte blasse
Gesichter die von erzürnten GIs durch
Die Leichenberge getrieben werden
Taschentücher vor der Nase weil
Der Gestank nach vermoderndem Fleisch
Nicht auszuhalten ist und
Krokodilstränen in
Den Augen und auf den Lippen
Der eine Satz
Davon habe ich nichts gewusst

Und genau das sagt sie jetzt
Auch
und den Holocaustschuh
Will sie sich nicht anziehen
Und immer das Zücken dieser
Nazikeule nur weil man die Musik
Einer Band hört die von Stolz singt
Und von Heimat und von Tradition
Und was bitte schön
Ist schlimm daran
Wenn man die Heimat liebt

Und dann dreht sie sich um
Und schlendert die Straße hinunter
Ein fröhliches Lied auf den Lippen
Und die Sonne scheint
Und der Himmel ist blau
Und die Pflanzen sind grün

Und ich bleibe ratlos zurück
Irritiert über das
Nichtwissen in dieser Welt

Denn
Jedem das Seine
Heißt das nicht eigentlich
Für die einen ein Leben
Als Herren
Für die anderen der Gang
In die Gaskammern
Heißt das nicht
Für die einen Wohlstand
Und Reichtum
Für die anderen Hunger
Und Armut
Für die einen Diamanten Öl
Und seltene Erden
Für die anderen Bomben
Und Granathagel
Verätzte Körper
Und zerrissene Leiber
Für die einen ein Platz
Im Paradies
Für die anderen ein
Kaltes Messer das sich langsam
Durch Sehnen Muskel
Knorpel und Wirbel schneidet
Für die einen Fortschritt
Und Wachstum
Für die anderen
Siechtum und Niedergang

Statt jedem das Seine zu wünschen
Wäre es da nicht besser
Zu fordern
Alles für alle
Wäre es nicht besser
Damit aufzuhören
Die Welt einzuteilen
In Gut und Böse
In Schwarz und Weiß
In Gläubige und Ungläubige
In zivilisiert und wild
In reich und arm
In lebenswert und degeneriert
In artig und entartet

Und sollten wir nicht leben
Wie Brüder und Schwestern
Statt wie Feind und Feindin
Sollten wir nicht Mauern sprengen
Die uns trennen
Statt neue zu errichten

Und dann ging auch ich
Denn die Sonne versank am Horizont
Und der Himmel verdunkelte sich
Und die Blätter fielen von den Bäumen
Und ich stapfte durch den
Beginnenden Regen und
Lauschte dem fernen Donnergrollen

Während irgendwo in
Irgendeiner Stadt
Ein verbitterter Mann
Seine Fahne einpackt
Und sich bereit macht
Für den Krieg zur
Rettung des Abendlandes

Während irgendwo in
Irgendeinem Land
Die Granatwerfer
Tod und Verderben bringen
Und Blut in den staubigen
Trümmerfeldern
Versickert

Während irgendwo auf
Irgendeinem Ozean
Ein Schlauchboot mit den
Wellen kämpft
Und diesen Kampf verlieren wird
Und kalte Körper werden
Langsam
Auf den Grund sinken

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